Bergbaugeschichte Gasteiner Tal
Das Gasteiner Tal ist viel reicher an Bergbauspuren, als hier vorgestellt werden kann. Ich konzentriere mich auf das Gebiet um die beiden so genannten „Bockhartseen“, von denen der obere ein natürlicher Karsee ist, während es sich beim unteren um einen Speichersee handelt, der ein Elektrizitätswerk mit Energie beliefert.
Bergbaurevier am "Bockhartsee"
Bevor wie auf dessen Lage, seine Geschichte und die noch vorhandenen Bergbauspuren eingehen, kurz etwas zum Namen des Reviers. Auf sämtlichen neueren Wanderkarten ist dieser Name, Bockhart, zu finden – und die Tourismusindustrie gibt sich reichlich Mühe, diesen Namen pseudoethymologisch zu erklären und einen Geißbock als Namensgeber zu etablieren (so auf dem Wegweiser rechts). Ein Geißbock ist ja so was von romantisch.
Dass der Name in Wirklichkeit auf den industrie- und montangeschichtlichen Hintergrund verweist, ergibt sich erst bei näherem Hinsehen – denn auf alten Karten findet sich richtigerweise die Bezeichnung Pochkarscharte und Pochkarsee. Wir haben es also mit einem Ort zu tun, an dem Gestein kleingepocht und verhüttet wurde. Aber ein ehemaliger Industriestandort eignet sich eben nicht so gut für eine touristische Vermarktung. (Als Synonym kommt weiter vor: Pochart)
Wer sich allerdings für Montangeschichte interessiert, der ist an solch einem Ort wie im Bereich zwischen unterem Pochkarsee und Pochkarscharte gut aufgehoben.
Lage
Das Pochkartal erreicht man über das Gasteiner Tal mit dem Ziel „Sportgastein“ (noch so ein Kunstname aus der Zeit v.a. des Wintertourismus) – eigentlich Nassfeld. Dieser Name weist auf die Ebene zwischen Kolmkar, Kreuzkogel und Geißlkopf, in die sämtliche Bäche der angrenzenden Berge ihr Wasser abschlagen und die Böden gut durchnässt sind.
Antike
Überlieferungen über den Gold- und Silberbergbau in dieser Region gibt es erst seit Mitte des 14. Jhdts, Bergbau wurde hier jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit schon früher betrieben, was Pollenanalysen stützen.
Nach diesen existierte bereits im 4. Jtsd v.Chr. eine erste Alm am oberen Bockhartsee.
Im 2. Jhdt v.Chr. gibt es dann intensive Rodungsarbeiten im Nassfeld und im Unteren und Oberen Bockhart. Dese scheinen nicht allein der Weidegewinnung gedient zu haben, sondern stehen eher mit Gewinnung von Brenn- und Grubenholz in Zusammenhang. Ausgangszentrum der Rodungsarbeiten war der Obere Bockhart.
Das gesamte Gebiet blieb bis in spätrömische Zeit waldfrei. Spätestens seit dem 2. Jhdt n. Chr. entstand eine aufwändig gebaute Fahrstraße. Sie führte über das Nassfeld und den Unteren Bockhart in den Oberen Bockhart, und von dort in die Baukarlleiten auf der Südflanke des Silberpfennig. Teilweise ist diese aus großen Steinblöcken errichtete Straße heute durch Abraumhalden des 15. und 16. Jahrhunderts überdeckt.
Abgesehen von den Baumerkmalen, die auf die Römer zurückweisen, gibt es keine Überlieferungen, Rechnungen oder Abbildungen von einem derart gewaltigen Straßenbau aus mittelalterlicher Zeit. Offenbar bildete die Straße zu römischen Zeiten eine Stichstraße in das Bergbaugebiet am Silberpfennig, auf der Golderze und erschmolzenes Gold nach Süden abtransportiert wurden.
Für die Zeit nach dem Rückzug der Römer bis ins Mittelalter habe ich bisher noch keine Angaben finden können ...
Spätes Mittelalter
Ab der zweiten Hälfte des 14. Jhdts erfolgte vom Angertal herkommend die (erneute) Erschließung des Bergwerkreviers am Südabhang des Silberpfennigs (Erzwies, Baukarl und Bauleiten bzw Pochleiten).
Die Aktivitäten der Bergleute richteten sich anfangs v.a. auf die Ausbisse der Erzgänge im Bereich der Oxidations- und v.a. Zementationszonen (Verhaue und Pingen). Erst später wurden auch Stollen angelegt. 1420 bestand allerdings schon ein mehr als 700m langer Erbstollen (= Wasserlösungsstollen zur Abführung der Grubenwässer aus darüber liegenden Stollen).
Der Erschließung des Gebiets entsprechend wurde das Erzmaterial per Sackzug zur Aufbereitung ins Angerertal transportiert. Dort standen bei der Gadauner Grundalm kleinere Erzaufbereitungsanlagen, in denen das Erz feingemahlen und zur Amalgamisierung vorbereitet wurde (so genannter Schlich). Der Betrieb der Schmelzanlage soll im letzten Drittel des 15. Jhdts ihren Höhepunkt gehabt haben. Der Erztransport über das Nassfeld spielte nur eine untergeordnete Rolle, v.a. weil der Weg zwischen Nassfeld und Böckstein im Winter lawinengefährdet und für den Sackzug untauglich war.
Ende des 15. Jhdts. „teilten“ sich mehrere Interessenten den Besitz an den Gruben im Gebiet des Silberpfennigs – der Bischof von Brixen, die Fugger in Augsburg sowie Tiroler Investoren. Seit Ende des 15. Jhdts, wurden die Erze zunehmend auch in Kötschau verhüttet (Heute Bad Bruck). In den 20er Jahren des 16. Jhdts kam der Schmelzbetrieb auf der Gadauner Grundalm zum Erliegen. 1541 standen fünf Schmelzhütten in Betrieb: die Strasser’sche Hütte in der Kötschau, die Weitmoser’sche Hütte in Hundsdorf bei Hofgastein, die Hütte der Zott in der Lafen am Ausgang des Angertales, die Frohnschmelzhütte und die Hütte der Fröschlmoser-Pernerischen Gesellschaft.
Photo oben - © Jörg Geißler
Im Mittelalter wurden die Täler (v.a. jene, die wirtschaftlich wichtig waren) durch Burganlagen geschützt. Hier am Eingang des Gasteiner Tales Burg Klammstein.
Frühe Neuzeit
Um die Mitte des 16. Jhdts verringerten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (die Goldschwemme aufgrund der kolonialen Raubzüge in Südamerika führte zu Preisstürzen bei Gold), außerdem ging der Ertrag der Gruben zurück. Die Erzwies war (anders als der Radhausberg) weitgehend erschöpft, das geförderte Erz wies nur noch einen geringen Edelmetallgehalt auf. Angesichts dieser Lage baten die Gewerkschaften 1561 beim Landesherrn um Befreiung von der Frohn.
Um das Bergbaurevier in der Siglitz zu erschließen, wurde die Strecke zwischen Nassfeld und Böckstein 1561 zum Schlittenweg ausgebaut. Doch bereits 1570 mussten die meisten Montanbetriebe an der Siglitz wieder aufgegeben werden, da die Ausbiss stark verhaut waren und bereits die Talsohle erreichten.
Die Schachtanlagen an der Talsohle des oberen Pochkarsee waren noch bis 1650 in Betrieb, dann wurden sämtlichen Bergbauaktivitäten eingestellt.
18. und 19. Jahrhundert
Nachdem der Bergbau fast ein Jahrhundert ruhte, bemühte sich insbesondere der Finanzminister („Kammerherr des Domkapitals“) des Salzburger Bischofs in den Jahren von 1742 bis 1775 darum, den Edelmetallbergbau in der Erzwies wieder aufzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt konnten nun auch andere Erze industriell verwertet werden, wie z.B. Zinkerze, wodurch der Betrieb der Gruben wieder wirtschaftlich erschien. So wurden 1764 in der Erzwies 6 Tonnen Zinkerze abgebaut, 1765 erfolgte der Versuch, Bleierze nach der Kärntner Methode in Flammöfen zu schmelzen.
Nach der Säkularisierung des Erzbistums 1803 ging der Besitz der Bergwerke an die Kaiserlich-königliche Bergwerksverwaltung („Montanärar“) über. Diese ließ in der ersten Hälfte des 19. Jhdts mehrere Stollen in der Siglitz aufwältigen. Versuchsweise wurde auch eine Produktionslinie aufgebaut, aber mangels Wirtschaftlichkeit erneut eingestellt.
20. Jahrhundert
Danach ruhten die bergmännischen Aktivitäten bis zum Beginn des 20. Jhdts. 1907 gründete sich die Zweite Gewerkschaft Rathausberg (auch dieser Name ist irreführend, denn eigentlich bezieht sich der Name auf ein Radhaus, das zu einer montanwirtschaftlichen Anlage auf dem entsprechenden Berg gehörte).
Kurz nach ihrer Gründung begann die Gewerkschaft mit der Aufwältigung verfallener, spätmittelalterlicher Bergbaue im Siglitzrevier, wo sie auf Reichgolderze stieß mit einem Gehalt bis 682g Gold pro Tonne Erz. Durchschnittlich wurden Golderze von 34 Gramm Gold pro Tonne festgestellt (heute rentabel sind bereits 8-10g Gold pro Tonne Erz). Daher wurde die Anlage eines Tiefstollens beschlossen und das Gründungsmitglieds Diplomingenieur Dr Karl Imhof mit dessen Ausführung betraut (daher dessen späterer Name „Imhof-Stollen“).
Weitere Informationen zum Imhofstollen sowie anderen bergbaulichen Projekten im Gasteiner und Rauriser Tal aus der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute unter diesem Link.
Aufbereitungsanlage Nassfeld
Die Erzaufbereitung im Nassfeld, 1916/17 durch die Gewerkschaft Rathausberg errichtet und 1941 durch die Preussische Bergwerks- und Hütten AG (kurz PreußAG) modernisiert, diente ausschließlich der Aufbereitung der Erze aus dem Imhofstollen.
Hier wurden hoch komplexe sulfidische Gold-Silbererze abgebaut, die einen hohen Arsengehalt besaßen. Daher war die Aufbereitung erschwert, technisch aufwendig und kostenintensiv. Insbesondere in der ersten Betriebsperiode konnten nur rund 63-75% der vorhandenen Erze gewonnen werden, d.h. es gingen 25-37% der Erze verloren oder landeten auf der Halde. Das bedeutet, dass aus der Produktion aus diesen Jahren rechnerisch noch 112 kg Gold und bis zu 674 kg Silber auf der Halde liegen.
Die Abraumhalde mit den Resten der Aufbereitung liegt nördlich des Güterwegs zwischen Valeriehaus und Viehauser Alm mit einer Höhe von 30m und einer Breite von 300m.
Die in der Aufbereitung trotz allem erzeugten Erzkonzentrate wurden aufgrund ihres Arsenreichtums in Freiberg in Sachsen einer weiteren Verarbeitung unterzogen.
Die PreußAG installierte in den 40er Jahren eine moderne Flotationsanlage. Diese war zwar beim Goldausbringen um einiges effektiver (92,168% der Erzaufgabe), die Verluste bei den übrigen Elementen, insbesondere beim Arsen, waren allerdings immer noch erheblich. Aus dieser Phase liegen rechnerisch 19 kg Gold und ca 223 kg Silber auf der Halde.
Außerdem wurde 1941/42 ein Versuch unternommen, das Erz mit Cyanid(KCN)-Lauge zu behandeln, der letztlich unbefriedigend verlief. Die damit verbundene Verschmutzung der Gasteiner Ache und sogar der Salzach bis Werfen lässt den Schluss zu, dass die toxischen Reaktionsprodukte nicht deponiert sondern einfach in die Gasteiner Ache abgeleitet wurden. Aufgrund dieser in der Praxis erprobten Toxizität für die Umwelt wurde diese Methode aufgegeben.