Bergbau und Geschichte Rauriser Tal - II
Bergbau im 19. Jahrhundert
1832/33 wurde der Schrägaufzug zur Erzförderung in Kolm-Saigurn gebaut. Die Bahn führt vom Maschinenhaus (Radhaus) auf der Höhe des Neubaus bis nach Kolm hinunter und war zwischen 1834 und 1897 in Betrieb. Der Schrägaufzug war aus Holz konstruiert und war v.a. im unteren Bereich sehr steil (bis 50 %). Erz, Betriebsmittel und auch Personen wurden zumindest in der schneefreien Jahreszeit mit einem kleinen truhenförmigen Wagen nun wesentlich schneller und rationeller befördert. Bis dahin hatte man den gesamten Transport mit Saumtieren (Pferden und Hunden) sowie im Winter mittels Sackzug bewerkstelligen müssen. Der Wagen wurde an einem 1,4 km langen Hanfseil mittels einer 3 Meter dicken hölzernen Seilwelle hinaufgezogen bzw. herabgelassen.
Angetrieben wurde die Anlage mittels eines oberschlächtigen Wasserrads mit 11 Meter Durchmesser, das im Maschinenhaus untergebracht war. Das nötige Wasser wurde über den „Maschinengraben“ von einem Gletscherbach herangeführt. (Zu weiteren Bergbauspuren zwischen Hohem Sonnblick im Westen und Schareck im Osten siehe weiter unten).
Trotz dieser technischen Verbesserungen war der Bergbau auf Dauer nicht mehr wirtschaflich. Da in den letzten Jahren vor der Schließung praktisch keine neuen Erzvorräte erschlossen wurden, wurden nun v.a. eher minderwertige Erze durch Überkuttung, d.h. durch Aussortieren aus den Abraumhalden und aus dem Versatz in den alten Abauen, gewonnen. 1855 waren im Bergbau am Goldberg und in der Aufbereitung in Kolm Saigurn insgesamt ca. 90 Leute beschäftigt, darunter 14 Frauen und Kinder.
1872 wurde schließlich die Bergverwaltung in Rauris aufgelassen. Bis zum Jahre 1875 betrieb der Staat den Goldbergbau in Rauris - wohl eher um der armen Bevölkerung Arbeit zu geben als Gewinne einzufahren. Diese Ansicht vertrat zumindest die Salzburger Handelkammer der damaligen Zeit.
Angesichts dieser tristen Situation beauftragte das k.k. Ackerbauministerium als zuständige Bergbehörde den erfahrenen und anerkannten Lagerstätten-Experten, k.k. Bergrat Franz Posepny, die Gasteiner und Rauriser Goldbergbaue zu untersuchen und Sanierungsvorschläge zu erarbeiten.
Dieser empfahl, die unrentablen Betriebe an einen Privatunternehmer zu verpachten, der mit geringem Aufwand vielleicht doch noch einen Gewinn erwirtschaften könnte. Als geeigneten Pächter schlug er den 1844 in Rauris geborenen Ignaz Rojacher vor, der mit den Verhältnissen und Problemen am Goldberg bestens vertraut war.
Die letzte Bergbaublüte unter Ignaz Rojacher
Ignaz Rojacher stammte aus einer Bergmannsfamilie. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters musste der damals 12-Jährige als Truhenläufer im Goldbergwerk zu arbeiten: Er musste die schweren, mit Erz beladenen Grubenhunte schieben.
Nachdem er das Zimmermannshandwerk erlernt hatte, trug er als Werkszimmerer zur Instandhaltung von Stollen, Schächten und des Schrägaufzuges bei. Aufgrund seiner technischen Begabung wurde er mit 26 Jahren zum Aufseher der Erzaufbereitung in Kolm-Saigurn bestellt. Zwei Jahre später, 1872, wurde Rojacher aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten an die Bergakademie nach Prîbram in Böhmen geschickt, wo er seine Kenntnisse in der Bergbau- und Aufbereitungstechnik vertiefen konnte.
Nach der Empfehlung durch den k.k. Bergrat Franz Posepny pachtete Rojacher 1876 zunächst die Bergbau- und Aufbereitungsanlagen am Goldberg und in Kolm-Saigurn. 1880 kaufte er sie schließlich vom Staat für 4.500 Gulden ( heute ca.330.000 Euro).
Erzhaltiges Material wurde zu einem großen Teil auch weiterhin aus dem alten Versatz im Bodenstollen und von den Halden gewonnen. Zu einem geringeren Teil wurde ein noch anstehende 30-40cm mächtige Erzgänge abgebaut. 1876/77 baute Rojacher mit 25-30 Mann 2.472 t Hauwerk ab und erzeugte daraus 15.378 kg Gold sowie 38.175 kg Silber.
Exkurs: Die Bergbauanlagen am Rauriser Goldberg
Am Rauriser Goldberg waren während dieser letzten bedeutenden Betriebsperiode unter Rojacher folgende Gangsysteme bergmännisch erschlossen:
• Neubau oder Augustin, gleich hinter dem Naturfreundehaus-Neubau
• Pfefferkar, Weitenkar, Fließgänger, Kalten Boden oder Reichschartel; alle nahe dem eingefalteten Schwarzschieferstreifen unweit der Rollbahn vom Knappenhaus zum Bremserhäusl
• Herrnstollen-Fröberlinger-Bartholomäi, aus zwei, stellenweise drei Gängen bestehend, vom Mörchen- bis zum Fröberlinger Neuner auf eine Distanz von 600 m aufgeschlossen
• Habersberger zwischen Fröberlinger Neuner und dem Schwarzschiefer am Josefstollen
• Haberländer-Haberländerin, aus zwei W-fallenden Gängen bestehend, auf eine Gesamtlänge von 700 m zwischen Mörchen-Neuner im Süden und dem Schwarzschiefer im Norden aufgefahren; im SW-Abschnitt nicht bauwürdig, besonders reich vererzt zwischen Schwarzem und Fröberlinger Neuner, und zwar zwischen 3. Hauptstollen und Bodenstollen
• Goldberger, W-fallendes Gangsystem, auf etwa 600 m zwischen Mörchen-Neuner und Schwarzschiefer aufgeschlossen; zwei ausgeprägte Adelszonen, eine vom Georg- bis zum Johannstollen, die andere zwischen 4. Hauptstollen und Bodenstollen
• Barbara oder Kriechgänger, E-fallend, zwischen Schwarzem Neuner und Schwarzschiefer, nicht überall bauwürdig; schnitt zwischen 3. und 4. Hauptstollen den W-fallenden Goldberger Gang
• Bodner, zwischen Geilem und Schwarzem Neuner, zwischen Bodner Schacht und Christophstollen aufgeschlossen
Darüber hinaus sollen gemäß Rojacher am Westabhang des Herzog Ernst alte Baue auf die sogen. Sonnenstern-Kluft umgegangen sein. Südwestlich der Goldberger Hauptbaue, jenseits der Wintergasse existiert im Gebiet der Niederen Scharte und nördlich davon, am sogen. Neuner Bolfach, sowie am Nordabhang des Altecks eine Anzahl weiterer Baue, z.T. in Form von Tagverhauen. Vermutlich handelt es sich dabei um die streichende Fortsetzung einiger der angeführten Goldberger Gangsysteme.
Noch weiter westlich, nämlich in der Pilatusrinne unweit des Sonnblick-Gipfels, am Rücken des Kleinen Sonnblicks, bei der Rojacher Hütte und im Leidenfrost wurden ebenfalls strukturell kontrollierte Gold-Silber-Vererzungen abgebaut, wenngleich diese von untergeordneter Bedeutung waren.
In der Nordostflanke des Grieswies-Schwarzkogels im Hocharn-Massiv baute man auf die nördliche Fortsetzung des Goldzecher Gangzuges, der dort an der Grenze des Sonnblickgneis / Schieferhülle aufsetzt.
Technische Innovationen unter Rojacher
Eine der ersten Maßnahmen von Ignaz Rojacher war die Rationalisierung des Erz- und Materialtransportes. Dazu errichtete Rojacher den Bremsberg und die Rollbahn vom Radhaus bis zum Knappenhaus, die 1880 in Betrieb genommen wurden.
Um auch Erze mit geringen Edelmetallgehalten verarbeiten zu können, die bislang nicht abbauwürdig waren, wurde in Kolm-Saigurn eine Mundell’sche Extraktion-Anlage ein gerichtet. Dieses neuartige Verfahren lernte Rojacher anlässlich einer Studienreise ins schwedische Bergbauzentrum Falun kennen, die er mit seinem Freund und Gönner Wilhelm Ritter von Arlt 1885 unternommen hatte.
Daneben wurden die Hanfseile der Aufzugsmaschine durch Drahtseile ersetzt, eine Telefonverbindung zwischen Kolm-Saigurn und dem Knappenhaus hergestellt, und im Knappenwohnhaus in Kolm-Saigurn ein Gasthaus eingerichtet (heute Naturfreundehaus).
Ignaz Rojacher war außerdem ein ausgezeichneter Wetterbeobachter und errichtete 1886 am Gipfel des Hohen Sonnenblicks die erste Wetterstation, ebenfalls mit einer Telefonverbindung ausgestattet.
Trotz der vorgenommenen technischen Verbesserungen wurde der Betrieb des Goldbergbaus immer unrentabler. Schließlich verkaufte Rojacher den Bergbautrieb 1889 an einen belgischen Investor. Dieser setzte Rojacher zwar formell als Bevollmächtigten ein, aber außer Instandhaltungsarbeiten wurden keine weiteren Bergwerkstätigkeiten mehr unternommen.
Bergbauversuche im 20. Jahrhundert
Nach dem Tod Rojachers 1891 wurden zu Beginn des 20. Jhdts und während des 2. Weltkriegs noch einmal kurzfristig Untersuchungen durchgeführt. Von 1938 bis 1945 betrieb die Preuß-AG den Bergbau. Sie legte einen Durchschlag (Imhofstollen – nach dem Begründer der Zweiten Gewerkschaft Rathausberg Dipl. Ing. Dr. Karl Imhof) vom Nassfeld / „Sportgastein“ nach Kolm-Saigurn an.
Weitere Informationen zum Imhofstollen sowie anderen bergbaulichen Projekten im Gasteiner und Rauriser Tal aus der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute unter diesem Link.